Sonntag, 25. Januar 2015

Zeitlupenoptik.

Stopp. Zeitlupenoptik. Ich höre keinen Ton.

Ganz langsam und gezielt bewegt sich der Colt, der gerade noch zwischen meinen Augen einen Druckpunkt hinterließ, an meinem rechten Augenlid vorbei. Ich kann jede noch so kleine Rille im fein geschliffenen Eisen sehen. Drei Kerben finden sich am linken, unteren Rand, direkt vor dem Abzug der 44er. Wo ich herkomme sagt man, jede davon zähle eine Seele, die das Schießeisen im Tausch für das ausgespuckte Blei bekommt. Für das Blei, dass sich in runder Perfektion erst beim Aufprall in tausend Stücke zerfetzt. Nicht nur sich selbst, auch den Kopf, in den sich die Kugel, weniger mit nagender Präzision als mit pfeilschneller Sicherheit, kontinuierlich bohrt. Wenn man das so durchdenkt, könnte dieser Vorgang Stunden dauern. Stunden, in denen sich das in Guss gegebene Mordwerkzeug mit einer gewaltigen Aufdringlichkeit durch deine Schädeldecke bohrt, bevor es endlich durchbricht. Stunden, in denen das Blei in deinem Kopf schwimmt, bevor es deine Nervenzentrale erwischt. Im Kleinhirn wahrscheinlich, genau dort, wo du dir vielleicht genau in dieser Stunde überlegst, ob der Kerl im dunkelgrünen Trenchcoat, in kurzen Hosen und getarnt durch die verdunkelte Fliegerbrille, wirklich abdrücken will. Einfach nur weil deine Gedanken langsamer sind als der Mechanismus der Magnum. Keine Gedanken, die du dir machen möchtest. Eher Gedanken, die deine unfassbare Angst ausgelöst haben, in der sturen Hoffnung auf Ladehemmung. Nur, um den nächsten Morgen zu erleben. In der heilen Hoffnung, morgen wieder mit genau den Augen, die momentan den Lauf fixieren, deine Familie anzusehen. Mit all diesen Emotionen, diesen Vermutungen, diesen Gedanken und dem kleinen 9mm dicken Stück Blei lässt dein Kopf dich allein. Für Stunden. Schmerzhafte Stunden, in denen sich die Munition unnachgiebig durch den Gehirn frisst, bis schließlich die ersten Sonnenstrahlen auf die gerade ausgetretene, wohl geformte Spitze der Kugel am Hinterkopf treffen und das matte Kupfer sich im blendenden Licht reflektiert.

Doch in Wirklichkeit?

Keine Millisekunde, in der das Geschoss sich durch die tätowierte Fläche zwischen meinen Augen bis zum weichen Dschungelboden durcharbeiten würde. Kein Schmerz. Kein Gedanke.

Nicht einmal letzte Worte hätte mir der dicke Kubaner gewährt. Ein Schuss. Zack. Keine Familie, keine Angst, keine Träne. Zumindest dann nicht mehr. Dann endlich nicht mehr.  

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