Donnerstag, 12. März 2015

Tag 100 // Die letzte Sonne.

Die lodernde Flamme der Zigarette waberte im Schatten der Dunkelheit. Frisch angezündet, mit dem letzten Streichholz, das Goran mit auf die Jagd nahm. Langsam zog er das Nikotin aus der Fluppe und hielt die Luft an. Nichts vom Rauch sollte jetzt schon seine Lunge verlassen. Die Packung rote Gauloises war mittlerweile so leer. So verbraucht. So verlassen. Wie jede Seele, die all die letzten Monate überlebt hat. Der Rest der Welt? Vergiss den Rest. Vergiss die paar Milliarden. Die waren Vollidioten.
Die haben überlegt, ob es einen Unterschied macht, ob man schwul oder hetero ist. Ob Chinese oder Grieche, ob Müllmann oder Bankkauffrau. Alles eine Frage der Ansicht. Licht und Schatten, schwarz und weiß. Wenn alles dunkel und grau wird, macht das keinen Unterschied mehr. Es macht keinen Unterschied mehr, ob man sich freut oder leidet.
Niemand hätte gedacht, dass wenn Gott uns das Licht nimmt, unsere Emotionen mit gehen.
Wir haben Tag 96, seit die Sonne nicht mehr aufging. Seit Zeitgefühl, Panikattacken und Ängste Hand in Hand mit Freude, Gefühlen und Nähe die letzten Sonnenstrahlen gen Himmel nahmen und um 13:23 Uhr die Lichter ausknipsten. Da war kein großes „Peng!“, keine große Ankündigung, kein stundenlanger Countdown oder das, was man gemeinhin von der Apokalypse erwartet hätte. Es erlosch einfach, das Licht. Gott drückte irgendwann den Lichtschalter, weil er das Leid nicht mehr sehen konnte.



Sonntag, 25. Januar 2015

Zeitlupenoptik.

Stopp. Zeitlupenoptik. Ich höre keinen Ton.

Ganz langsam und gezielt bewegt sich der Colt, der gerade noch zwischen meinen Augen einen Druckpunkt hinterließ, an meinem rechten Augenlid vorbei. Ich kann jede noch so kleine Rille im fein geschliffenen Eisen sehen. Drei Kerben finden sich am linken, unteren Rand, direkt vor dem Abzug der 44er. Wo ich herkomme sagt man, jede davon zähle eine Seele, die das Schießeisen im Tausch für das ausgespuckte Blei bekommt. Für das Blei, dass sich in runder Perfektion erst beim Aufprall in tausend Stücke zerfetzt. Nicht nur sich selbst, auch den Kopf, in den sich die Kugel, weniger mit nagender Präzision als mit pfeilschneller Sicherheit, kontinuierlich bohrt. Wenn man das so durchdenkt, könnte dieser Vorgang Stunden dauern. Stunden, in denen sich das in Guss gegebene Mordwerkzeug mit einer gewaltigen Aufdringlichkeit durch deine Schädeldecke bohrt, bevor es endlich durchbricht. Stunden, in denen das Blei in deinem Kopf schwimmt, bevor es deine Nervenzentrale erwischt. Im Kleinhirn wahrscheinlich, genau dort, wo du dir vielleicht genau in dieser Stunde überlegst, ob der Kerl im dunkelgrünen Trenchcoat, in kurzen Hosen und getarnt durch die verdunkelte Fliegerbrille, wirklich abdrücken will. Einfach nur weil deine Gedanken langsamer sind als der Mechanismus der Magnum. Keine Gedanken, die du dir machen möchtest. Eher Gedanken, die deine unfassbare Angst ausgelöst haben, in der sturen Hoffnung auf Ladehemmung. Nur, um den nächsten Morgen zu erleben. In der heilen Hoffnung, morgen wieder mit genau den Augen, die momentan den Lauf fixieren, deine Familie anzusehen. Mit all diesen Emotionen, diesen Vermutungen, diesen Gedanken und dem kleinen 9mm dicken Stück Blei lässt dein Kopf dich allein. Für Stunden. Schmerzhafte Stunden, in denen sich die Munition unnachgiebig durch den Gehirn frisst, bis schließlich die ersten Sonnenstrahlen auf die gerade ausgetretene, wohl geformte Spitze der Kugel am Hinterkopf treffen und das matte Kupfer sich im blendenden Licht reflektiert.

Doch in Wirklichkeit?

Keine Millisekunde, in der das Geschoss sich durch die tätowierte Fläche zwischen meinen Augen bis zum weichen Dschungelboden durcharbeiten würde. Kein Schmerz. Kein Gedanke.

Nicht einmal letzte Worte hätte mir der dicke Kubaner gewährt. Ein Schuss. Zack. Keine Familie, keine Angst, keine Träne. Zumindest dann nicht mehr. Dann endlich nicht mehr.  

Dienstag, 13. Januar 2015

Panzerglas.

Die ganze Welt hält die Mute-Taste, nur, damit man sich selbst nicht hört. Damit man sich nicht eingestehen muss, was auf der anderen Seite seines schillernden Glaskäfigs passiert. Das einzige Gefängnis, was nur so zum Ausbrechen einlädt. Und dennoch das einzige Gefängnis, was man so gern bezieht. So gern, weil es die Gedanken der Außenwelt schalldicht abhält. Weil alle Menschen auf der anderen Seite deines kleinen Horizonts genau das wissen, was du nie denken wolltest.
Naja. Bis eben diese eine Person den Hammer holt.
Mit der Scheibe bricht auch dein Kopf. Die einzige Hoffnung, die dich über den beißenden Lärm all der Leute hinwegtröstet, ist der Gedanke daran, nicht alleine durch den Scherbenhaufen deines Verstands zu müssen. Nicht allein raus aus dem ganzen Schutt.
Nur, um nur kurze Zeit später eben doch alleine weiterzuziehen.

Was bleibt, ist der ein oder andere Schnitt – Und die Erkenntnis, wie praktisch doch Panzerglas sein könnte.   

Dienstag, 30. Dezember 2014

Deutschrap-Rückblick 2014 – Zwischen den Zeilen.



Die 5 besten EPs des Jahres






Im Mai ließ das Ex Mitglied von Optik Russia uns ein Stück von seiner „Schwarzwälder Kirsch“ probieren. Hat gut geschmeckt, Nachschlag gibt es schon 2015 in Form eines Langspielers. Hoffentlich dann mehr von dem düsteren Sound mit melancholisch angehauchtem Thematiken und einem Rapper, der auf der Selbstsuche uns erzählt, was ihn, nicht nur rap-, sondern auch beziehungstechnisch, bewegen kann.







Nachdem schon Anfang des Jahres Zodiak den „guten Eindruck von Magnolia zerstört“ hat und Chakuza mit 1000 kleinen Dingen am Wiederaufbau arbeitet, ist es für RAF Camora noch nicht ganz wieder Zeit, zum Alter-Ego 3.0 zurückzukehren. Für die Fans, die nicht länger auf Neues vom „Lehra“ warten können, gab es zu Weihnachten ein kleines Präsent. Neben dem Thema, wie viel Legende im Österreicher steckt, gibt es auch was über Reichtum und seiner Selbstauffassung zu hören.









Perfekt für den „Sonntagabend“, doch keineswegs leichte Kost. Nanoo beweist zwischen stilechter Reflexion der hiesigen Rapszene und der Selbsterkenntnis über das eigene Anderssein, dass er auch Liebeslieder schreiben kann, ohne jemals eines gekannt zu haben. Liebevoll, verspielt und dennoch kritisch – Alles richtig gemacht in der Retrospektive!






Auch wenn die Jungs „kurz vorm Hit links abgebogen“ sind, reicht es für einen Platz im Ranking. Wie keiner sonst schaffen es OK Kid, clevere Wortspiele mit Sinnhaftigkeit des Daseins zu kopeln und so ein Gesamtbild zu schaffen, was lyrisch fast immer einen doppelten Boden vorweist. Natürlich auch musikalisch grandios von der Band untermalen.






Dissy ist nicht Deutschraps „Pestizid“, sondern sein „böser Zwilling.“ Passender könnte man sich selbst kaum beschreiben, außer vielleicht mit dem Wort „anders“. Denn Dissythekid ist anders. Weit entfernt von Trap-Beats und sinnbefreiten Phrasendreschereien über ein Leben in Saus und Braus dreht das neue Heart-Working-Signing einsam seine Runden zwischen Trashtalk, Battlerap und der Sinnsuche. Wer sich in den Sog aus Maschinengewehrsoundsets, düsteren Melodien und sphärischen Beats ziehen lässt, kommt so schnell nicht mehr heraus. Alles neu, und dennoch besser – Damit kann Dissythekid hier tatsächlich als beste EP des Jahres punkten.






Die besten Zeilen 2014



Wir leben auf einem blauen Planet, der sich um einen Feuerball dreht, mit ‘nem Mond der die Meere bewegt und du glaubst nicht an Wunder?!“ 
(Marteria – Welt der Wunder)

Wenn alle Stricke reißen, bleibt die Borderline“ 
(OK Kid - Borderline)

"An einem Ort, an dem jeder Tag dem nächsten gleicht/

hält nur Tag eins für die Ewigkeit/
(Ahzumjot – Tag Eins)


"Lauf nur mei'm Herzen nach, seit dem ersten Tag.“ 
(Olson – Mein kleines Hollywood)

Wenn nichts mehr geht, geh ich weg von hier.“ 
(Curse – Ende)

"Und wenn Fame oder Cash der Grund wär' dafür, dass ich Mucke mach'/

Dann hätt ich's schon vor Jahren eingetauscht für Backen oder Schach/“ 
(Maxat – Kopfaufräum')


Als wär' ich nur der King dieser Mukke...ICH BIN diese Mukke!“ 
(Kool Savas – Matrix)

Du bist stolz, wenn dein Song auf der Tanzfläche läuft/

Doch solche Songs definieren meine Toleranzgrenze neu/
(Karate Andi – Kindergeld)


"Die Freiheitsstatue ist 'ne Hure und ich fick Sie/ 
Blanco pumpt den Beat, ich erschieß diesen Swizz Beatz/“ 
(Haftbefehl – Lass' die Affen aus'm Zoo)

Meine Bitch kriegt direkt das ganze Schuhregal im Laden/

Und kauf ich mal bei Real ein hol ich Fussball-Stars in Spanien“ 
(Kollegah – Lamborghini Kickdown)



2015.


Eigentlich ist die ganze letzte Rubrik Schwachsinn gewesen. Weil es viel zu viel gab, was einem dieses Jahr im Gedächtnis blieb. So viele brillante Künstler mit Alben, die vielleicht sogar in einer Masse untergingen, die sie nicht verdienten und welche nun auf den so großen Durchbruch hoffen müssen, um für die grandiose Musik endlich wie ein echter Kollegah, Bushido oder Farid entlohnt zu werden. So viele Platten, so viele Zeilen – Nicht alles, was geglänzt hat, war … Naja, ihr wisst schon. Ob es nun einer der zahlreichen Banger war, die Erkenntnis, dass man nicht jährlich 4 Millionen Bars kicken kann, ohne an Qualität einzubüßen, das war alles recht durchwachsen. Und ein wirklich hervorstechendes Album gab es dann ja auch nicht. Kein XOXO, kein Aura, kein Kendrick – Nur Haftbefehl zieht einsam Kreise am Rap-Himmel.
Das war dann auch schon wieder reichlich Text für 2014, also dafür, dass die Überschrift hier eigentlich das nächste Jahr betitelt. Was erwartet einen denn da? Im gewohnten Selfmade-Rhythmus darf man auf Platten von Favorite, Genetikk und Karate Andi gespannt sein, Prinz Porno feiert sein Comeback im Januar, die FvN-Gang zelebriert mit Vega die Rückkehr und ein Mädels ist mit E W A auch endlich da – Vieles, auf was man sich freuen kann. Und noch mehr, was man verachten kann. Ebenfalls länger wird die Liste der Künstler, deren Alben nun endlich mal auftauchen. Ob da nun VBT-Urgesteine wie Pimf, Mio Mao oder Lance Butters auf der Liste stehen oder Deutschraps Abiturient Fabian Römer, der doch nun auch seit Ewigkeiten im Studio hängt und an einem potenziellen Meisterwerk sitzen sollte. Deutschrap bleibt spannend. Kommt doch mit und schaut, was euch erwartet.
So. Und das hier ist aus der Idee geworden, mal ein Top 10 zum Schluss des Jahres zu machen. Der produktivste Monat des Jahres auf diesem Blog mit 4 Kolumnen in 4 Wochen. Ist immer noch relativ wenig... Ich gelobe auch 2015 keine Besserung, wirklich! Und wer das bis hier hin liest, muss sowieso mein größter Fan und Liebhaber sein (kann sich dementsprechend auch gern via Twitter/Facebook zu erkennen geben).

In diesem Sinne: Schönes Jahr 2015. Reißt ab, was euch zerreißt. Leben, Life, Hayat. Und Tschö.




Dienstag, 23. Dezember 2014

Die 15 besten Deutschrap-Alben 2014 (Platz 5 – 1)

Wenn man die 15 besten Deutschrap-Alben küren möchte, kommt man nicht nur an einer Hand voll Künstler so überhaupt nicht vorbei, man muss dazu auch noch einiges anhören. Denn Deutschrap war so häufig wie nie in den Charts – Und das liegt eventuell daran, dass so viel wie seit Jahren nicht in die Läden kam. Verdammt viele zweitklassige Straßenalben, Möchtergernpoesie-Platten und Battlerap-Klassiker mit Streicheleinheiten liegen hinter uns. Aber eben auch Highlight über Highlight. Auf dem Podium treffen wir Uns mit dem zukünftigen, erstem Rap-Toten, der vermutlich durch einen Schuss ins Herz stirbt. 


Platz 5: Curse – Uns


2. Oktober 2012. Ich stehe nichtsahnend in Reihe vier eines Konzerts, dessen Hauptattraktion eigentlich so gar nichts mit „Uns“ zu tun hat – Aber zum zehnjährigen Bühnenjubiläum von Fabian Römer gratulierte eben auch Michael Kurth. Ein Mann, der mir in dieser Sekunde nichts, aber wirklich gar nichts, sagte. Und dann bietet genau dieser Michael Kurth die besten drei Minuten einer grandiosen Show, als er das Publikum fragte, was denn jetzt sei – Jetzt? Jetzt war ich Fan. Nur Tage später einmal durch die ganze Mediathek geklickt und schon war ich nicht nur um 10 Rap-Gebote klüger, sondern auch um die Erkenntnis, dass, als dieser Curse sich seine „Freiheit“ im Jahr 2008 nahm, ein grandioser Künstler Deutschrap vorerst verließ. Zum Glück holt er 2014 nicht nur sein „Herz zurück“ und bereitet dem Ende ein „Ende“, denn so berührend, offen und nahbar präsentiert sich in diesem Jahr kein anderer Künstler. Curse is back – Und wie. Mit knallenden Drumsets, starken Piano-Klängen und einem generell mehr als authenthischen Soundteppich der Beatgees bewegt sich der Mindener lyrisch so ansprechend wie genial auch auf „Uns“ immer noch und liefert mit einer Zeile die eventuelle Hymne einer ganzen tristen Jugend- und Landleben-Generation: „Wenn nichts mehr geht, geh ich weg von hier.“ Kurz, prägnant, richtig. Es sind eben immer noch die kleinen Zeilen, die Großes im Deutschrap bewegen – Wenn man es so sehen will, ist „Uns“ der erste Riese in der Top 10 des Jahres 2014.


Platz 4: Marteria – Zum Glück in die Zukunft 2


Zum Glück in die Zukunft ist nicht nur das Motto eines jeden, klassischen Silvester- und Neujahreids, sondern hat auch im Musikbusiness eine große Nachfolge anzutreten. Schließlich war der zweite Teil um Marty McFly der beste aus der Trilogie, und so hat das Marten Laciny gefälligst auch zu inszenieren! Und genau das ist „ZGIDZ II“. Großartig inszeniert. Das beginnt schon beim gefühlvoll souligen 50er-Jahre Intro, geht weiter über Hitsingles bis hin zu Saufhymnen, wo „der Knopf, auf dem Selbstzerstörung steht“ auf tote Hosen trifft. Wer das kombiniert, schafft es auch, einen Track gemeinsam mit seinem Alter Ego Marsimoto live zu performen – Trotz Stimmenwechsel. Das dritte Soloalbum des Rostockers ist mit Sicherheit nicht das absolute Meisterwerk geworden, was man sich davon versprach, doch allein durch die grandiose Untermalung der Krauts ist das Album auf jeder Top-10-Liste seinen Platz wert. Und natürlich nimmt auch Marteria der Platte nichts. Ob das nun mit der Hooligan-Hymne und den dazu gehörenden brennenden Bengalos zu tun hat oder doch mit dem epochalen Abgang einer Zukunft, die hoffentlich wieder an eine Welt voller Wunder glaubt, sei mal dahin gestellt. Doch wer behauptet, Marteria hätte enttäuscht, weiß schlichtweg nicht die Brillanz einer durch und durch ausproduzierten und lyrisch vielleicht nicht perfekten, aber dennoch inspirierenden Platte zu schätzen. Jetzt hoffen wir mal, dass Teil 3 nicht so kacke wie der Film wird.


Platz 3: Olson – Ballonherz


Vom eigens inszenierten Hollywood zum besten Moment des Films, mitten in Paris spielend. Wie man Ende August merken durfte, klingt so der Beginn eines absolut perfekten Albums. Und das trotz aller negativen Vorzeichen. Der kleine Rudeboy aus dem Jahr 2008, der ganz plötzlich seinen Labeldeal beim Major unterschreibt und plötzlich Pop-Schnulzen trällert. Aber mit wie viel Talent, Begeisterung und Detailliebe man das machen kann – Das konnte man auch erst beim fünften Durchgang von „James Dean“ zu Beginn der Promophase erahnen. Ballonherz ist kein Album, welches man einmal hört und weiß, wie unfassbar gut das produziert wirkt. Ballonherz wird von Mal zu Mal stärker. Aus der eigentlich homogen wirkenden Masse von Pop-Balladen, welche die Beatgees für den ehemaligen Rudeboy komponiert haben, hört man vorerst nämlich nur Bekanntes heraus, was ungleich ein wenig jugendlicher in 1er Jordan-Verpackung ankommt anstatt in auf dem Bolzplatz ausgelatschten FILA-Schuhen. Beim zweiten Mal hört man plötzlich das zeternde Echo in der Hook von „Mein kleines Hollywood“ oder „James Dean“, die sanfte, unfassbar angenehme Frauenstimme im Background der „Fernweh I“ -Bridge und und und. Und so wird aus Ballonherz nicht weniger als das Anti-XOXO einer Generation, die eine „Chanel aus deiner Liebeskind“ macht, anstatt ihr Monument auf Selbstmitleid zu bauen. So unterschiedlich, und dennoch so gleich. Olsons Rechnung geht auf, sein Ballonherz steigt. Und steigt. Und steigt.


Platz 2: Kool Savas – Märtyrer


Denn ihr habt lang genug gewartet … Ja, das haben wir. Wie immer. Doch, wie auch 2014 noch immer gilt, enttäuscht der King of Rap nicht auf Albumlänge. Nach der Epos-Platte „Aura“, dicht gefolgt von Pop-Ausflügen mit gespaltener Persönlichkeit, wovon die eine Hälfte aus nerviger Gesangsstimme besteht, widmet sich Kool Savas auf „Märtyrer“ endlich wieder der Thronverteidigung – Und was lehrte uns schon „Game of Thrones“ in den letzten Jahren, wie das geht? Richtig, alle möglichen Titelaspiranten umbringen. Und wenn einer das so schön kann wie Kool Savas, dann soll er sich doch bitte zeigen, denn auch jetzt findet, nach 20 Jahren, findet sich keiner, der da das Wasser reichen könnte. Denn ohne eine einzige Mutter, Freundin oder sonstwen ins Spiel zu bringen, deklassiert er jeden MC, der „allein auf dem Thron herrschen“ will. Einwandfrei nicht nur in Tracks wie „Zweifel und Bestätigung“ dargestellt, sondern auch auf „Es rappelt im Karton“, in der er zeigt, wer im Deutschrap wirklich keinen Refrain braucht, um zu überzeugen. „Märtyrer“ ist keine Platte für den Tumblr-Blog, um ihn mit pseudo-tiefschürfendem Material zu füllen. „Märtyrer“ ist keine Platte, die sonderlich anspruchsvoll daher kommt. „Märtyrer“ ist Battlerap in seiner reinsten Form, einer Kampfform – Und keiner beherrscht sie so gut wie Savas.


Platz 1: Haftbefehl – Russisch Roulette


Als Mitte des Jahres die Frage, wer Bock auf Russisch Roulette hat, im Raum stand, konnte noch keiner ahnen, was da auf uns zukommt. Denn Haftbefehl hat endlich das erkannt, was viele ihm schon seit Jahren sagen – Es ist ja ganz nett, all seine Kumpanen auf Tracks zu verewigen, aber die sind leider alle nicht so talentiert wie er selbst und ziehen alles runter. So lässt er die Affen erst auf einer extra-angefertigten BABO-Edition aus dem Zoo und lässt sein Album das sein, was es sein soll – ein Soloprojekt. Und was für eins. Haftbefehl hat kein Straßenrap-Album gemacht. Er hat DAS Straßenrap-Album gemacht. Der letzte, der Geschichten so realitätsnah, bitter und wahrheitsgetreu herüber brachte, rappte damals noch von seinem Reich vom ersten bis zum 16. Stock. Aber Aykut Anhan ist anders. Er ist dunkler, rougher – Besser. Was der Frankfurter auf Albumlänge zeigt, beschreibt kein „Hurensohn“, kein „Babo“, kein sonstiges Trendwort, was auch dem Rapper kein unbenutzbarer Begriff ist – Es beschreibt die Realität. Und zwar so nah, so greifbar und stark, wie man sie als Mittelschichtsbürger vielleicht nie kennenlernen konnte oder wollte. Dass er all das nicht einmal aussagen müsste, weil er mit einer dermaßen großen Energie ans Werk geht wie es kein anderer kann, ist ihm wohl auch selbst bewusst. Wenn er von Benny Blanco dann auch noch mit knallenden Drumsets und rauschenden Synthies unterlegt wird, dann kommt da eben spontan auch mal das Album des Jahres heraus. „Alles kleine Bushidos, so war die Lage bevor er kam“ - Und plötzlich hat es ja jeder gewusst, dieser Haftbefehl rappt gut. Na dann. Lassen wir das mal so stehen und vergessen etwaige Blogger und die Millionen Dislikes auf allen YouTube-Kanälen für den Azzlack, der hoffentlich, entgegen all seiner Tracks, uns noch lange erhalten bleibt. Aykut Anhan hat es geschafft. Der Babo hat seine 1, auch hier – Wenn schon nicht in den Charts. Fick diesen ACDC und schmeiß den Gasherd an stattdessen!  



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Am 30.12.2014 werden die besten EPs und Punchlines gekürt, inklusive eines Blicks über den großen Ozean. Sobald erschienen, HIER klicken.

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Mittwoch, 17. Dezember 2014

Die 15 besten Deutschrap-Alben 2014 (Platz 10 – 6)

Wenn man die 15 besten Deutschrap-Alben küren möchte, kommt man nicht nur an einer Hand voll Künstler so überhaupt nicht vorbei, man muss dazu auch noch einiges anhören. Denn Deutschrap war so häufig wie nie in den Charts – Und das liegt eventuell daran, dass so viel wie seit Jahren nicht in die Läden kam. Verdammt viele zweitklassige Straßenalben, Möchtergernpoesie-Platten und Battlerap-Klassiker mit Streicheleinheiten liegen hinter uns. Aber eben auch Highlight über Highlight. Unter den Plätzen 10 bis 6 blicken wir auf die Crockstahzumjot-Tour, hören rein, wie Chart-Melodien 2014 klingen und müssen uns, zum hoffentlich bald letzten Mal in diesem Jahr, mit Thron-Ansprüchen auseinandersetzen. 

Platz 10: Cro – Melodie


„Der coolste im Game“ kann immer noch nicht auf Albumlänge funktionieren. Das hat sich 2014 so wenig geändert wie der Fakt, dass Cro auch 2014 noch auf Single-Länge so brillant funktioniert. „Traum“ war nicht nur wieder einmal der Sommerhit des Jahres, sondern auch eine Offenbarung für alle Zweifler und Nörgler, dass Cro nicht der schlechteste Rapper, geschweige denn nur ein mittelmäßiger Sänger wäre. Na klar klingt das ganze massentauglich. Natürlich ist das nichts für den eingefleischten Audio88-Hörer. Doch natürlich ist auch „Melodie“, wie schon sein Vorgänger „Raop“, der perfekte Soundtrack für Sommertage am See, gemeinsam mit all seinen 12-jährigen Freunden … OK. Sagen wir, Cro kriegt seine Platzierung einfach, weil er funktioniert. Und zwar 2014 so gut wie eh und je. „Und alle deine Homies rappen miiiit...“

Platz 9: Kollegah – King


Die Überleitung von Cro auf Kollegah war jetzt auch nicht die leichteste. Und dennoch darf Felix Antoine (hier weitere, beliebige Vornamen einsetzen) Blume nicht in der Top 10 fehlen. Sicherlich war „King“ nicht der vorher angekündigte, revolutionierende Rap-Epos, den man nach „Alpha“ durchaus erwarten hätte können. Schließlich ist der Boss ja derjenige, der „Deutschrap an sich revolutioniert.“ Die Revolte verlief sich dann allerdings in mehr oder weniger guten Fillertracks, in denen die Bomben „Lamborghini Kickdown“, „Karate“ oder „Universalgenie“ etwas untergingen. 2014 war eben auch das Jahr, in dem man merken durfte, dass Qualität noch immer vor Quantität steht und so hat keiner der nun folgenden acht Plätze mehr als 14 Titel auf dem Langspieler. „King“ ist mit soliden 19 Sonngs sicherlich der perfekte Soundtrack für den geneigten Fitness-Gänger und stemmt seine Zeit im Studio mit Leichtigkeit, zum Thron reichts nur noch lange nicht.

Platz 8: Karate Andi – Pilsator Platin


Würde Karate Andi seinen Anspruch auf den King-Titel markieren, täte er das mit Sicherheit um 5 Uhr morgens, indem er auf den Thron kotzt. Und so klingt Pilsator Platin. Die Beats klingen plastisch, die Parts extrem nach „Einmal besoffen eingerappt“ - Und genau das macht „Pilsator Platin“ so wahnsinnig unterhaltsam. Wenn man das Geld für einen professionellen DJ ins letzte Bier gesteckt hat, spricht man die halt selber ein! Wenn einem wieder einmal die BVG auf die Eier geht, weil sie ihr rechtmäßiges Geld wollen, wird halt mal ein Track gegen die katastrophalen, sozialen Umstände gemacht! Und so hält Andi 12 Tracks lang die Waage aus abartig asozialem Proleten- und unheimlich lustigen Battlerap. So schön wie Karate Andi ist glaube ich kein Rapper dieses Jahr.

Platz 7: Rockstah – Pubertät


Twitch-Streaming schön, NTG-Merch gut, aber war Rockstah nicht einmal irgendwann so etwas wie ein Rapper? Anscheinend ja, denn so geübt, wie er sich 2014 endlich wieder präsentiert, muss er das ja mal gelernt haben. Und wie. Manche sagen, zu kitschig, manche nennen es zu verspielt – doch „den Mittelfinger-Patch hat die Welt verdient.“ „Pubertät“ ist genau das. Und genau das macht es eben auch so gut. Zwischen nerdigen Randbemerkungen und der Prise Selbstironie ist ein grundehrlicher Max Nachtsheim herauszuhören, der weder der beste Rapper, noch der beste Rapper ist. Und trotzdem unterhaltsam von der ersten bis zur letzten Sekunde. Und das soll HipHop doch auch im Jahr 2014 noch immer sein – Unterhaltsam.

Platz 6: Ahzumjot – Nix mehr egal



Ob es ihm bei diesen Albumtitel stört, die Top 5 verpasst zu haben? Dabei hat sich Ahzumjot doch so viel Mühe gegeben. Mit „Nix mehr egal“ kriegt man die volle Portion Pathos, musikalisch teils brillant unterlegt und immer wieder denkwürdig eingängige Zeilen aus dem Leben des Musikers. Ob er nun Songs aus dem Hotelzimmer schreibt, welches früher mal seine eigene Wohnung mit der Familie markierte, ob er sich gegen den Druck der Gesellschaft stellt und sein eigenes Leben in die Hand nimmt oder einfach nur den coolsten Motherfucker gibt – Alan wirkt in schlichtweg allem ehrlich, berührend und offen. Und somit gewinnt der gute auch zurecht im inoffiziellen „Crockstahzumjot!“-Wettrennen, dass wirklich ungeplant drei der fünf Plätze in Anspruch nimmt.  



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Die Plätze 5 – 1 folgen am Vortag von Heiligabend, dem 23.12.2014. Sobald erschienen, HIER klicken.
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Dienstag, 9. Dezember 2014

Die 15 besten Deutschrap-Alben 2014 (Platz 15 – 11)


Wenn man die 15 besten Deutschrap-Alben küren möchte, kommt man nicht nur an einer Hand voll Künstler so überhaupt nicht vorbei, man muss dazu auch noch einiges anhören. Denn Deutschrap war so häufig wie nie in den Charts – Und das liegt eventuell daran, dass so viel wie seit Jahren nicht in die Läden kam. Verdammt viele zweitklassige Straßenalben, Möchtergernpoesie-Platten und Battlerap-Klassiker mit Streicheleinheiten liegen hinter uns. Aber eben auch Highlight über Highlight. Unter den Plätzen 15 bis 11 blicken wir gespannt zurück in den Berliner Untergrund, schauen, was bei ersguterjunge so passiert und warum Chemnitzer seit neustem so verdammt viel Spaß machen.




Platz 15: Mach One – M.A.C.H



„Am Anfang wollten wir einfach nur malen.“ Nicht nur Mach selbst, auch ich probier' das mal. Ich male das Bild eines Familienvaters, der erfolgreich sein Tattoostudio betreibt. Eine Existenz, auf der sich aufbauen lässt. Ein Mann, der sich das verdient hat. Denke ich zumindest, denn sonderlich prahlen mit seinem harten Umfeld muss Mach One auch auf seinem diesjährigen Album „M.A.C.H“ nicht. Eher sich darüber lustig machen, wie hart die Straße doch immer noch ist („Joa...Ganz schön hart ne?!“) und endlich mal wieder die Kollegen bespucken, die sich nicht so treu geblieben sind wie der Berliner. Damit kann er zwar nicht sein vor 2 Jahren erschienenes, zweite „Meisterstück“ übertrumpfen, katapultiert sich mit Härte, Musikalität und bestechender Ehrlichkeit aber zumindest noch in diese Hitlist.


Platz 14: Bushido – Sonny Black



Kommen wir zu egj. Hätte man es geahnt? Nein, nicht dass Mister Electro Ghetto hier vertreten ist. Eher, dass es endlich wieder frischen Sound von Sonny Black gibt. Von dem scheint in der Kunstfigur Bushido nach Pop-Ausflügen mit Karel Gott und Peter Maffay, einem unterdurchschnittlichen Kinofilm mit noch billigerem Soundtrack und Integrationsbambi eigentlich gar nicht mehr viel übrig. Man sollte dem kleinen Kenneth also eigentlich danken, ihn endlich wieder in die richtige Spur geschoben zu haben. Denn Sonny Black gab 2014 offiziell keinen Fick mehr. Ob man nun das ehemalige egj-Mitglied oder unlustige YouTube-Startrios an den Bäumen aufgeknüpft sah, jeder wollte hören, wie es klingt, wenn Anis Ferchichi wieder „auf der Jagd nach euch Fotzen“ ist. Und das eben klingt hart, brachial und nun offiziell endlich wieder sehr sehr ordentlich.

Platz 13: Chakuza – EXIT



Wir bleiben bei egj. Also – Eigentlich nicht unbedingt, denn seine straßentypischen Anbahnungen mit dem Bushido-Label sind längst Geschichte. Chakuza hat sein Ventil gefunden. Seinen Exit. Ob der nun tatsächlich in einem Lebenssinn wie der Hingabe zur Musik oder doch nur am Boden des leeren Whiskey-Glas zu finden ist, weiß man nur, wenn man ganz genau zuhört, wenn sich ein verträumter Österreicher seine „Regenbogenmaschine“ baut und doch noch mehr als zornig über „1000 Dinge“ und vergangene Liebschaften spricht. Irgendwo ist es doch eine Mischung aus beiden, denn so klingt zumindest die Musik von Chakuza im Jahr 2014 deutlich gereifter, ausgefeilter. Und passender zur vielleicht rauchigsten, kaputtesten Stimme Deutschraps obendrauf. Chakuza ist tatsächlich ein klein wenig angekommen.


Platz 12: Shindy – FBGM



Wir bleiben bei egj. Diesmal auch wirklich. Und zumindest in diesem Ranking hat der momentan einzige Schüler bei Altmeister Anis den Lehrer überholt, denn so fresh und locker wie er klingt momentan noch keiner. Also. Zumindest nicht in diesem Land. Wenn man über den großen Teich blickt, sieht man da doch mehr als genug Inspirationsquellen für die Musik des Wahl-Venezianers. So gibt es mittlerweile ganze Listen in zahllosen Foren, wo jedes Lied des zweiten Solo-Albums „FBGM“ (der ausgeschriebene Titel ist mir an dieser Stelle zu umständlich) auf Herz, Nieren und amerikanischen Ursprung geprüft wird. Was der gute Shindy dazu sagt, dürfte uns hingegen allen bekannt sein: „Tut mir leid, doch es tut mir leid...“ Lieber gute Kopie als miserables Original also? Bei FBGM trifft das absolut zu. Shindy unterhält – Und das auch 2014, auch wenn Gedanken an das indizierte „N.W.A.“ als das vielleicht bessere Album von Michael Schindler in Erinnerung bleiben.


Platz 11: Kraftklub – In Schwarz



Wir haben 2014 und Noel schreibt immer noch keine Songs für Liam. Als wär das nicht Schande genug, haben die meisten Kraftklub-Fans nicht einmal mehr die Taufdaten ihrer Starts tätowiert auf dem Rücken, neben den chinesischen Schriftzeichen und dem extra-tiefschürfenden Tumblr-Spruch. Grund genug für die Jungs, endlich wieder einige Missstände in diesem Land anzusprechen. So zum Beispiel das blaue Fahrrad, dass natürlich metaphorisch für die emsig aufgebaute Liebe zur perfekten Frau ist, die seit Jahren schon nicht mehr da liegt, wo sie sollte. An meiner Seite. Oder – alternativ – es geht einfach nur um ein beschissenes Fahrrad. Scheiß drauf. „In Schwarz“ ist kein Gerede, „In Schwarz“ macht Spaß. Und damit erfüllt es eigentlich alles, was ein Kraftklub-Album im Jahr 2014 tun muss. Vielleicht so viel Spaß, dass Noel endlich... Lassen wir das.



Die Plätze 10 – 6 folgen am 16.12.2014. Sobald erschienen, HIER klicken.
Die Plätze 5 – 1 folgen am Vortag von Heiligabend, dem 23.12.2014. Sobald erschienen, HIER klicken.
Am 30.10.2014 werden die besten EPs und Punchlines gekürt, inklusive eines Blicks über den großen Ozean. Sobald erschienen, HIER klicken.

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